Kommunikationsexperte erklärt Gen Z
«Die Gen Z hat nie gelernt auszuhalten»
11. März 2025 agvs-upsa.ch – Am «Tag der Schweizer Garagen» im Januar im Kursaal stand der Mensch im Zentrum – und damit auch die Generation Z. Kommunikationsexperte Alexander Blunschi sagt im Interview, wieso Junge oft ungeduldig sind und wie man sie im Betrieb richtig einbindet. Yves Schott

Herr Blunschi, tickt die Generation Z wirklich so anders?
Alexander Blunschi: Sie ist sicher nicht fauler oder generell schlechter, wie oftmals behauptet wird. Ein Unterschied besteht hingegen in der Sozialisierung. Die Gen Z ist in einer unsichereren Welt aufgewachsen als wir: Die Terroranschläge von New York, die Bankenkrise, Corona, Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten … deshalb, so ihr Empfinden, wissen sie nicht, ob das, was sie heute säen, in zehn oder 15 Jahren überhaupt geerntet werden kann. Sie wollen sofort ernten, auch bei der Arbeit. Unsere Eltern haben viel gearbeitet, das Ersparte auf die Seite gelegt, um sich dann irgendwann etwas zu leisten. Die Gen Z will nur noch ansäen und sofort ernten. Ähnlich einem Landwirt, der allerdings weiss, dass zwischen Säen und Ernten einiges an mühsamer Routine zu erledigen ist. Solche Arbeit ödet die Jungen wiederum sehr schnell an, was Firmen vor riesige Herausforderungen stellt.
Bedeutet diese Haltung ferner, dass der Generation Z Geld weniger wichtig ist?
Bei mir war es in dem Alter so: Ich hätte Zeit gehabt, interessante Länder zu bereisen, doch mir fehlte das Geld. Heute könnte ich mir die Ferien leisten, habe aber keine Zeit. Die Jungen sind diesbezüglich kompromissloser: Wenn sie Projekte realisieren oder Reisen unternehmen wollen, dann tun sie das unmittelbar, auch weil ihnen der Arbeitsmarkt momentan in die Hände spielt. Sie wissen: Wenn es in der Garage X nicht klappt, finden sie garantiert bei Garage Y einen Platz. Geld ist für sie durchaus relevant, mit einer Lohnerhöhung von 5000 Franken im Jahr ist es hingegen kaum getan. Wenn die Gen Z die Work-Life-Balance ausgleichen will, dann macht sich das viel eher als die Vorgängergenerationen: mit Ferien, Sabbatical oder gar Kündigung…
Was bedeutet das nun konkret für die Berufswelt?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meiner Zeit bei SRF 3 und SRF Virus: Beauftragte ich eine 20-jährige Person mit der Umsetzung eines spannenden Projekts, fragte sie, sobald es beendet war, gleich nach dem nächsten. Eine Ski-WM in St. Moritz reichte also nicht aus, um sie drei Jahre zufriedenzustellen – sondern maximal drei Monate. Für mich war das eine grosse Challenge, weil ich ihr erklären musste, dass wir neun Mitarbeitende in diesem Team beschäftigten, aber jährlich bloss drei Grossprojekte zu vergeben waren. Im Sinne von: Du durftest ja nun eines dieser Projekte betreuen, sei damit doch zufrieden.
Welche Rolle spielen Social Media bei dem Drang nach stetiger Action?
Die Gen Z hat nie gelernt auszuhalten. Unsereins ist damit aufgewachsen, vor dem Fernseher zu sitzen und auf die gewünschte Sendung zu warten. Die Jungen ihrerseits scrollen auf TikTok, wenn ihnen etwas nicht gefällt, nach zwei Sekunden weiter. Ihnen steht sofort und immer alles zur Verfügung: Beim Musikhören, Serien schauen, Kleider und Essen bestellen, sogar beim Flirten auf Tinder. Im Berufsalltag lassen sich mühsame Dinge allerdings nicht einfach wegklicken. Dieses Durchhaltevermögen vermisse ich ein bisschen.
Begünstigen die sozialen Medien auch den Egozentrismus? Instagram und Co. vermitteln ein Gefühl von dauerhafter Lebensfreude und dass es immer noch schöner, besser und luxuriöser geht.
Sagen wir es so: Häufig machen die Jungen grosse Augen, wenn sie erfahren, dass im Berufsleben kein Wunschkonzert à discrétion vorherrscht. Keine Chefin und kein Lehrlingsbetreuer können schliesslich andauernd noch coolere und noch tollere Projekte einfach so raushauen. Irgendwann ruft schlicht die normale Arbeit.
Zur Person: Alex Blunschi
Der 44-Jährige arbeitet seit 25 Jahren im Medien- und Kommunikationsbereich, coacht Führungspersonen in Auftrittskompetenz und entwickelt Kommunikationsstrategien für Unternehmen. Einen besonderen Fokus legt er dabei auf die Generation Z. Für die Gen Z hat er bei SRF die Marke Radio Virus am Radio und auf TikTok erfolgreich neu belebt, dies gemeinsam mit einem Team, das ausschliesslich aus Gen-Z-Mitgliedern bestand. Als «Generationenübersetzer» doziert er an der HWZ, tritt als Keynote-Speaker auf und unterstützt Firmen beim Umgang mit verschiedenen Generationen und beim Employer Branding, um die Gen Z anzusprechen.
Der 44-Jährige arbeitet seit 25 Jahren im Medien- und Kommunikationsbereich, coacht Führungspersonen in Auftrittskompetenz und entwickelt Kommunikationsstrategien für Unternehmen. Einen besonderen Fokus legt er dabei auf die Generation Z. Für die Gen Z hat er bei SRF die Marke Radio Virus am Radio und auf TikTok erfolgreich neu belebt, dies gemeinsam mit einem Team, das ausschliesslich aus Gen-Z-Mitgliedern bestand. Als «Generationenübersetzer» doziert er an der HWZ, tritt als Keynote-Speaker auf und unterstützt Firmen beim Umgang mit verschiedenen Generationen und beim Employer Branding, um die Gen Z anzusprechen.
Man könnte sagen: Die Jungen sind enorm ungeduldig.
Eindeutig, ja. Bei jenen, die in der Musik oder im Sport tätig sind, ist dieses Verhalten nach meiner Erfahrung weniger scharf ausgeprägt. Ein Fussballer drückt schon mal die Bank, eine Pianistin übt mehrere Monate für ein Konzert. Das prägt sie. Sie haben gelernt durchzubeissen. Wir bestellten die Turnschuhe damals im Laden und haben dann zehn Tage bis zur Lieferung gewartet. Heute ist das krass anders. Auf Zalando ist einerseits die Auswahl massiv grösser, andererseits liegen die Turnschuhe zwei Tage später im Briefkasten. «Sich gedulden müssen», müssen junge Menschen lernen, oft geschieht das erst in der Berufswelt.
Nun wissen zahlreiche Arbeitgebende aber wohl selten, wie jemand Junges, der neu im Betrieb anfängt, funktioniert.
Wer versteht, dass die Gen Z stets auf der Suche nach neuer Nahrung ist, bringt sie gezielt dort mit ein, wo sie sich mit Freude engagiert: Indem man sie einen Tag der offenen Tür konzeptionieren oder den Dienstplan neu ausgestalten lässt zum Beispiel. Zweitens dürfen gewisse Dinge ganz offen angesprochen werden, etwa die nüchterne Erkenntnis, dass der Garagenalltag keine Traumfabrik ist. Drittens kann Durchhaltewille antrainiert und zu einem USP von jemandem werden. Man packt diese Person quasi bei der Ehre und verhilft ihr im Jobmarkt gleichzeitig zu einem Alleinstellungsmerkmal unter Gleichaltrigen.
Welche Voraussetzungen sollte eine Garage sonst erfüllen, um bei der Gen Z beliebt zu sein?
Die Jungen wollen lernen, sie möchten betreut und besser werden. Und sie wünschen sich Feedback sowie Sinnhaftigkeit. Müssen sie an einem Freitagnachmittag länger bleiben, weil bei einer Kundin der Motor ausgefallen ist,
wäre es besser, ihnen zu vermitteln, dass sie nun etwas Gutes tun und jemandem helfen, anstatt einfach nüchtern den Auftrag zu erteilen. Die Generation Z reagiert des Weiteren sehr positiv auf Mitgestaltungsprozesse wie flexible Arbeitszeiten, zum Beispiel: 100 Prozent arbeiten, aber nur 80 Prozent angestellt sein, um Überstunden anzusammeln. Was ausserdem stets auf Resonanz stösst, sind Teamevents. Dort entstehen spannende Gespräche zwischen älterer und jüngerer Belegschaft, womit ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht.
Manche Betriebe scheitern bereits daran, Nachwuchskräfte überhaupt zu rekrutieren. Lässt sich mit klassischen Zeitungsinseraten noch auf sich aufmerksam machen?
Das hängt davon ab, wer angesprochen werden soll. Zielt die Kampagne auf die Eltern ab, die ihren Kindern wiederum davon erzählen, wie toll es in einer Garage zu- und hergeht, kann ein Inserat durchaus seine Wirkung erzielen. Zudem funktioniert Social Media in diesem Zusammenhang wirklich sehr gut. Eine grosse Ausstrahlung haben auch Berufsmessen. Den Firmen wiederum empfehle ich, ehrlich zu sein. Es ist nie alles immer nur rosarot, das darf man ruhig so kommunizieren. Bei der erwähnten Gartenbaufirma sind in einem TikTok-Video drei Mitarbeitende im strömenden Regen zu sehen. Die Message: Wir frieren zwar und sind pflotschnass, doch wir packen das gemeinsam! Schwächen und Schattenseiten zu zeigen und dazu zu stehen, kommt bei den Jungen an, denn das ist echter Arbeitsalltag. Jemandem das Blaue vom Himmel zu versprechen, das sowieso kaum eingehalten werden wird, ist kontraproduktiv.
Was würden Sie dem AGVS respektive unseren Mitgliedern im Speziellen raten?
Die fortschreitende Elektrifizierung kann der Verband in der Kommunikation zu einem Vorteil ausnutzen, beispielsweise in Bezug auf den Umweltschutz. Ja, Autos mit Verbrenner sind zwar nicht per se klimaschonend, wenn allerdings ein Motor sauber gewartet wird, kann man als Branche und auch als einzelner Mitarbeiter dafür sorgen, dass das Klima nicht zusätzlich unnötig belastet wird.
Was sagen Sie all jenen, die am Ende dieses Gesprächs nach wie vor Vorurteile gegenüber der Generation Z haben?
Menschen, die zwischen 33 und 50 Jahre alt sind, bilden die Scharnierstelle zur Gen Z. Sie wissen, was TikTok ist, obschon sie das App vielleicht bloss einmal pro Woche verwenden – ausserdem ist ihnen eine Zeitung ebenfalls nicht völlig fremd. Diese Erkenntnis lässt sich betrieblich umsetzen, indem etwa Arbeitsgruppen verschiedenen Alters gebildet werden, wo man sich regelmässig austauscht – und plötzlich feststellt: Wir sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Zu behaupten, die Jungen seien samt und sonders faul und unnütz, wäre erstens arrogant und zweitens äusserst kurzsichtig. Es braucht alle.
Kommentar hinzufügen
Kommentare